HEIRATEN? Ja, nein- vielleicht.

„JA“ sagen, unterschreiben und ein Fest feiern. Viele Paare trauen sich noch. Sie heiraten und gehen den Bund der Ehe ein. Immer mehr Menschen gehen diesen Weg nicht mehr. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Viele fragen sich, ob die Ehe überhaupt noch zeitgemäß ist. Beide Gruppen haben jedoch etwas gemeinsam: Meist wissen sie gar nicht, welche Auswirkungen, Vor- und Nachteile eine solche Ehe eigentlich hat. Warum sollte man heiraten oder es doch lieber lassen? Auch hier gilt: Wissen ist Macht!

 

Ich bin Scheidungsanwältin. Und nur um das klarzustellen: Ich glaube trotzdem an die Liebe. Für mich schließt das Eine das Andere nicht aus. Die Liebe ist äußerst vielfältig, sie nimmt keine Rücksicht auf Nationalität, Geschlecht oder persönliche Wünsche. Manchmal bleibt sie, manchmal geht sie. Aber immer muss sie gepflegt werden. Die Liebe ermöglicht wunderbar bunte Konstellationen der Familie. Viele Paare gehen die Ehe aus Liebe ein, manche haben andere, rationalere Gründe dafür. Die rechtlichen Konsequenzen einer Heirat sind aber immer die gleichen.

 

In der Vorbereitung werden Dokumente zusammengesucht, Termine geblockt, Ringe geschmiedet, Kuchen probiert und Hochzeitslocations besichtigt. Der Tag soll unvergesslich werden, für Gäste und Hochzeitspaar. Die Einladungen werden abgestimmt auf die Tischdekoration, den Blumenstrauß und Gastgeschenke. Inspirationen hierfür werden auf Pinterest gesucht. Am Ende der Planung kommt das Paar aus dem Standesamt und ist verheiratet. ZACK! Und dann komme ich mit meinem Realitätsfanatismus. In diesem Moment sind die Beiden rechtlich verbindliche und weitgreifende Verpflichtungen eingegangen. Der Umfang des Pakets von Rechten und Pflichten wird den meisten Paaren aber erst zu einem viel späteren Zeitpunkt bewusst. Wenn sie sich trennen.

 

Die Ehe ist wie ein Vertrag den man eingeht. Wie die Unterschrift fürs neue Handy, nur viel umfassender. Nach § 1353 Abs. 1 BGB sind die Ehegatten, ab dem Zeitpunkt der Heirat, einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet und tragen füreinander Verantwortung. Und die Sache mit der Verantwortung nimmt der Gesetzgeber wirklich sehr ernst. Neben den kleinen Dingen wie dem Ehenamen und der Erlaubnis für den Anderen die gekaufte Waschmaschine in Empfang zu nehmen, gehören zu einer Ehe umfassende Unterhaltspflichten, Regelungen für die Auseinandersetzung des Vermögens, Auswirkungen auf die Altersvorsorge und das Erb- und Steuerrecht. Gute Gründe also dafür, sich vor der Eheschließung ein paar Gedanken zu machen.

 

Für immer und ewig?

 

All diese rechtlichen Auswirkungen bleiben im Laufe einer intakten Ehe erstmal verborgen. Man geht gemeinsam durchs Leben, hat eigene Absprachen was die Finanzen, Kinder und die Lebensverhältnisse angeht. Und dann kommt die Trennung, der Worst Case, den nie jemand wollte. Plötzlich sind sie da: Die Auswirkungen einer Hochzeit auf die Rechtsverhältnisse. Die anschließenden Fragen sind stark abhängig davon, wer in der Ehe eigentlich finanziell besser aufgestellt war. (Warum muss ich im Trennungsjahr soviel Unterhalt bezahlen? Wäre eine kleinere Wohnung nicht auch ausreichend? Warum arbeitet er/sie nicht mehr? Muss ich wirklich die Hälfte meiner Altersvorsorge hergeben?) Und davon wer eventuell für die Kinder beruflich zurückgesteckt hat. (Kann ich alleine das Haus halten? Wie lange habe ich einen Anspruch auf Unterhalt? Wie soll ich überhaupt den Kühlschrank füllen? Ab wann muss ich mehr arbeiten?)    

 

Der Gesetzgeber geht von einer Eingehung der Ehe auf Lebenszeit aus. Praktischerweise gibt er jedoch Regelungen mit, wie im Fall der Trennung und Scheidung vorzugehen ist. In dem ersten Jahr nach der Trennung wird der Gedanke der ehelichen Solidarität noch ganz hoch gehalten. Der finanziell besser gestellte Ehegatte muss durch den zu zahlenden Trennungsunterhalt dafür sorgen, dass auch für den Anderen die ehelichen Lebensverhältnisse gewahrt bleiben. Die schöne, nun eigentlich viel zu große, Wohnung darf erstmal weiter bewohnt werden. Es muss kein neuer Job gesucht und kein kleineres Auto gekauft werden. Alles bleibt beim Alten. Außer beim Unterhaltspflichtigen, der auf einmal noch eine Wohnung finanzieren und zwei Haushalte tragen muss. Der Gesetzgeber hofft durch das Aufrechterhalten der ehelichen Lebensverhältnisse im Trennungsjahr auf eine eventuelle Wiederversöhnung und möchte die Türen dafür offen wissen. Vielleicht raufen sie sich nochmal zusammen? Vielleicht besinnen sie sich auf das auf Lebenszeit geschlossene Versprechen. Vielleicht hilft es aber auch nur beiden Partnern*innen in den neuen Lebensumständen anzukommen.

 

Im Scheidungsverfahren wird dann, wenn nicht anders vereinbart, der Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei werden die in der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften ermittelt, geteilt und dem Anderen übertragen. (Wenn im Kopf nun viele Fragezeichen und ein „WHAT?“ zu den Begrifflichkeiten auftauchen, bitte spätestens JETZT um die Altersvorsorge Gedanken machen.) Wenn gewünscht, wird außerdem durch den Zugewinnausgleich das in der Ehe gemeinsam erwirtschaftete Vermögen ermittelt und ausgeglichen. Aktien, Häuser, Konten, Autos. Meist sind es Träume von einer gemeinsamen Zukunft die da bewertet und auseinandergesetzt werden.

 

Auch nach der Scheidung gibt es etliche weitere Unterhaltsansprüche, aufgrund der Betreuung von Kindern, wegen Alters, Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Da ist sie wieder. Die Verbindlichkeit. Für den Anderen sorgen, wenn dieser es nicht kann- auch nach der Ehe. Und versorgt werden, wenn man selbst nicht dazu in der Lage ist. Die Illusion einer lebenslangen Absicherung durch Unterhaltszahlungen muss man/frau sich heutzutage allerdings nicht mehr machen.

 

Kinder, Küche, Kirche? Ziemlich veraltet.    

 

Die vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen sind dabei ein Ausdruck seines idealen Bildes einer Familie. Ein Partner verdient das Geld. Der andere steckt beruflich zurück und kümmert sich um die Kinder. Der finanziell benachteiligte Ehegatte muss deshalb im Fall einer Trennung Unterstützung erhalten, auf den Erhalt seines Vermögens und der Altersvorsorge muss geachtet werden. Im Prinzip sind die Grundsätze der ehelichen Solidarität lobenswert. Jedoch ist dieses Familienleitbild in vielen Teilen veraltet und entspricht nicht mehr der heutigen Realität.

 

Abänderungen der gesetzlichen Regelungen im Sinne der Betroffenen, die diesem starren Bild nicht entsprechen sind jedoch möglich. Dies könnte der Fall sein, weil vielleicht beide Ehegatten Vollverdiener sind, einer der Beiden selbstständig ist oder die Ehe international ist. Eheverträge sind dort meist das beste Mittel der Wahl. Mit dem Schreckgespenst des Liebes- und Romatikkillers muss endlich Schluss gemacht werden. Gut ausgearbeitete Eheverträge können nämlich auch eine besondere Form der Versorgung und Zuwendung sein.

 

Traut euch! Oder auch nicht.       

 

All dies sind nur kleine Bruchteile der eingegangenen Verpflichtungen und Auswirkungen einer Eheschließung.  Aber sie alleine haben schon enorme Konsequenzen für die persönliche und finanzielle Zukunft des einstigen Hochzeitspaares. Eine Ehe kann schnell geschlossen werden, die Trennung dauert meist jedoch sehr lange und hat große Auswirkungen. Wer bis hierhin gelesen hat, spürt vielleicht nun die Tragweite einer Eheschließung. Die Vorteile können für den Anderen Nachteile sein. Letztendlich muss jedes Paar für sich alleine entscheiden, ob und wie es die Ehe eingehen will. In jedem Fall sollte diese Entscheidung mit etwas gedanklichem Vorlauf geschehen.     

 

So- und nun bitte gegebenenfalls weiterplanen, die Pinterest Pinnwände füllen und Hochzeitsmagazine lesen. Die Liebe will ja schließlich gefeiert werden. Und das kann sie noch besser, wenn sich im Hinterkopf ein klein bisschen Rationalität verankert hat.